Archiv-Thema im Forum Schule + Erziehung
Halten Eltern ihre Kinder vor der ,,manchmal schlimmen" Realität fern ?
Hallo liebes Forum,
ich melde mich mal wegen einem Thema, was mich echt fast an die Decke bringt. Welche Inhalte können Kindern zugemutet werden und welche nicht ?
Einige Eltern scheinen wirklich davon überzeugt zu sein, ihre Kinder nur durch eine rosarote Brille sehen zu lassen :sauer: .
In der Klasse unseres Sohnes (10. Klasse, durchschnittl. 16 Jährige) haben einige Eltern doch tatsächlich eine bestimmte Lektüre im Englischunterricht durch massive Proteste verhindert. Angedacht war, den Roman ,,Twelve' von Nick McDonell zu lesen, eventuell kennen den einige, ist sehr gängige Schullektüre. Ich selbst habe die deutsche Übersetzung gelesen und bin sehr angetan. Es geht um eine Gruppe New Yorker ,,Oberschichts-Kinder', die alles haben was sie sich wünschen , aber anstatt ihre Chancen zu nutzen, feiert man die eigene Dekadenz bis zum Exzess (Drogen, Partys, Gewalt), was schließlich in einer Tragödie endet.
Eine sehr gute Charakterstudie, die sich unter der Schale der Handlung um soziale Werte, Chancen und Perspektiven dreht und so auch eine sehr gute Bildungsgrundlage neben den sprachlichen Qualitäten der Originalausgabe im Englischunterricht bietet.
Einige Eltern meinen allerdings, dass diese ,,harten' Inhalte (der Hauptprotagonist ist Drogendealer) für ihre Kinder so rein gar nichts sind :sauer: . Dazu muss gesagt werden, dass die Schule eher ländlich liegt und in vielen Familien anscheinend so etwas wie eine ,,heile Welt' Vostellung rumgeistert.
Nun darf sich die Klasse mit irgendeinem ,,unverfänglichen' historischen Stoff begnügen, der meiner Meinung nach viel geringere Bildungsgrundlagen bietet und garantiert mit wenig Begeisterung gelesen wird, dankeschön !
Gab`s bei euch auch schon mal sowas und wie denkt ihr darüber ? Leider wurden die Eltern, die ihren Kindern auch mal etwas ,,härtere Kost' zumuten wollten ganz schnöde überstimmt und regelrecht niedergemacht :eek: .
Eingetragen von Neptunus am 05.11.2011 um 12:53 Uhr
Hallo Neptunus,
danke für die interessante Frage :super:.
Da ich das Buch nicht kenne, habe ich eben erstmal amazon samt den dortigen Rezensionen bemüht und kann jetzt mit diesem Hintergrund allerdings nur antworten.
Also... ich habe mit 14 damals 'Wir Kinder vom Bahnhof Zoo' gelesen oder mit 16 dann 'Die Kinder von Torremolinos'.
Mich hat besonders letzteres stark verwirrt, aber auch sehr anzogen (habe es mehrfach gelesen). Was ich sagen will, ich ahne, was die anderen Eltern umtreibt.
Ich als damalige Vielleserin konnte aber die Bücher 'einordnen', will sagen - ich konnte sie auch durchaus literarisch bewerten und mich von bestimmten Szenen als eben dramarturgisch geschickt in Szene gesetzt innerlich distanzieren (Deutsch-LK lässt grüßen *g*).
Dieses Buch hier ist ja nun a) autobiografisch und zudem b) ein Erstlingswerk. Da verarbeitet jemand sein eigenes Elend und will sich zudem damit auch nach außen 'darstellen'.
Ich weiß nicht, ob genügend Distanz bei 16-Jährigen vorhanden ist, das Werk auch aus dieser Hinsicht zu lesen. Bei einigen schon (ich hätte es selber oberspannend gefunden), bei anderen nicht...
Ich glaube schon, ich würde wohl wollen, dass in Englisch vielleicht erst 'The catcher in the rye' gelesen wird, bevor man vielleicht sich kurz vorm Abi mit einem gewissen Hintergrundwissen zu Literatur an sich einem solchen Erstlingswerk zuwendet.
Persönlich finde ich die Wahl des Lehrers eher ungeschickt.
Und noch persönlicher hätte ich als Mutter aber nicht die Welle gemacht, sondern eben das Buch selber mitgelesen (wenn ich meine, mein Kind kann das nicht verarbeiten). Das bildet dann halt auch und man kann darüber ins Gespräch kommen.
Vielschichtiges Thema auf jeden Fall... Natürlich habe ich damals die ganzen alten Schinken gehasst, die wir teilweise in Englisch gelesen habe. Aber sie haben mir auch 'Bildung' gebracht, zu der man ohne Anlass (hier Schule) vielleicht nicht gekommen wäre...
Verstehst Du, was ich meine :)?
Eingetragen von Deala am 05.11.2011 um 15:27 Uhr
sehr interessantes Thema, was du ansprichst. Ich wurde damit auch schon
vielfach mit konfrontiert.
Unsere Tochter, 12 Jahre, wird sehr real erzogen und auch mit allem, was das Leben zum Inhalt hat konfrontiert.
Wie soll ich einem Kind die heile Welt vorspielen, wenn es miterleben muß, wie ihr Papa von Arbeitslosigkeit und Kurzarebit betroffen ist.......
Eingetragen von anwe am 06.11.2011 um 09:02 Uhr
Ich kenne das Buch nicht - aber ich denke immer, wenn Themen altersgerecht verpackt sind, dann darf man die Augen auch vor dem ' schlechten ' auf dieser Welt nicht verschließen.
Das kann nämlich für eigene Denkanstöße wieder ganz positiv sein.
Eingetragen von jodatz am 07.11.2011 um 06:44 Uhr
Das genannte Buch kenne ich nicht, kann mich dazu konkret also nicht äußern.
Generell finde ich aber, dass man Kindern die 'Wahrheit der Welt' nicht vorenthalten sollte.
V.a. nicht mit 16!
Wenn der Lehrer das Buch für angemessen hält, kann es sooo schlimm doch nicht sein.
Dealas Idee, das Buch als Eltern mit zu lesen und als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen, wäre natürlich ideal, allerdings werden nicht alle Eltern das leisten wollen oder können.
Also generell finde ich, altersgerecht verarbeitet, steht den Jugendlichen die Realität sogar zu, zur genannten Lektüre konkret kann ich mich nicht äußern.
LG hanja
Eingetragen von hanja am 07.11.2011 um 08:55 Uhr
So, ich auch noch mal...
Dieses Werk wurde bei amazon so kritisch gesehen, weil es das Erstlingswerk eines 17-Jährigen mit autobiografischem Hintergrund ist. Irgendwo klang durch, dass hier jemand sich zur Schau stellt und diese ganze Szene in New York eben mit nicht gebührendem Abstand betrachtet.
Wenn man älter ist und Erfahrungen hat mit autobiografischen Büchern, ist das vielleicht einfacher einzuordnen, was man da liest...
Kennt jemand noch 'Mars' von Fritz Zorn...? Das habe ich auch mal zu früh gelesen. Ich finde das Thema schwierig. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer mehr Kinder immer weniger lesen (und von zu Hause eben nicht angeleitet werden) und solche Bücher dann vielleicht eher abtörnend oder abschreckend sind.
Literatur auszuwählen in der Schule resp. am Gym ist wohl wahrhaftig kein einfacher Job. Mein Sohn hat das ausgewählte Buch der 6. Klasse fast verweigert (ich komme nicht auf den Titel, dieses Buch, wo ein Junge mit dem Flugzeug abstürzt und sich alleine durch den Wald durchschlägt...). Ich hatte es ihm zuvor schon mal angeboten und er, der fieseste Fantasy liest, hat sich vor so einem Buch regelrecht gegruselt. Das war ihm zu echt...
Aber ... wie gesagt. Ich zumindest begleite dann das eben. Aber ich lese eben auch gerne, vor allem begleite ich gerne Kinder auf dem Weg ins Lesen :).
Eingetragen von Deala am 07.11.2011 um 09:25 Uhr
Einmal kurz zu Dir und Deinem Satz mit der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit.
Ja das ist auch eine nicht schöne Sache ,doch denke ich das dieses hier nicht das Thema ist.
Eingetragen von Styling-Mouse am 08.11.2011 um 07:12 Uhr
Ich kenne das Buch auch nicht,
vielleicht leihe ich es mir ja mal aus in der Bücherhalle um dann genau mitreden zu können.
Ich denke mit 16Jahren sollte man schon wissen wie der Hase läuft.
Doch auch nur bedingt,denn Bücher können schon manchmal ins eingemachte gehen .Da ich ja auch gerne und viel lese, kann ich da auch anders das eine oder andere Bewerten.
Es kommt ja dann auch immer noch auf die Sprache in dem Buch an.
Ich habe schon manch ein Buch aus der Hand gelegt ,weil ich die Sprache abstoßend fand.
Wichtig finde ich das Kinder im allgemeinen an einiges wie z.B.: Drogen und was dann geführt werden.
Selbst jetzt wo Kira fast 11 Jahre alt ist,nehme ich sie mir zur Seite wenn es mal wieder ein Bild von einem Kinderschänder in der Zeitung oder in TV gibt. schließlich sieht man es denn Männern ja nicht an,was sie für Menschen sind.
Ich denke eine Begleitung eines Buches ist keine schlechte Sache.
Eingetragen von Styling-Mouse am 08.11.2011 um 07:22 Uhr
Hallo!
Auch ich kenne das Buch nicht. Ich hab mir gerade eine kurze Zusammenfassung und etwas über den Autor angelesen. Das muss jetzt reichen.
Zuerst möchte ich Deala vollkommen zustimmen. Wenn ich das Gefühl habe, dass eine Lektüre vielleicht verstören könnte, begleite ich das Lesen. Manchmal auch einfach, weil mich das Thmea interessiert.
Einige Bücher kenne ich aber auch schon. Besonders Yvonnes Programm jetzt im Deutsch-LK. Buddenbrooks, Iphigenie, Woyzeck, Leutnant Gustl... kommt mir alles wage bekannt vor.;)
Was mich an diesem Buch speziell ein wenig stört, dass es so rüber kommt als wäre DAS die Realität. Es ist natürlich ein autobiographisch geprägtes Buch. Mir persönlich fehlt da jedoch der Bezug zur Realität hier. Ich meine wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eins unserer Kinder in den nächsten Jahren in eine Clique superrreicher, junger Erwachsener geraten, die den ganzen Tag nur Party machen und Drogen nehmen.
Für meinen Geschmack ist der Roman zuwenig auf die Realität der Schüler übertragbar und daher auch schwer zuverarbeiten.
Bei Yvonne wurde dieses Jahr 'A Streetcar Named Desire' von Teneesse Williams gelesen. Thema sind auch Vergewaltigung, Gewalt, Alkohol. Obwohl das Drama in den 50er in New Orleans spielt ist es im Unterricht gelungen die Aktualität für die Schüler herauszustellen. Yvonne und ihr Kurs haben es wirklich gerne gelesen und auch gespielt.
Das Thema Drogen kann natürlich genauso aktuell gestaltet werden. Ich selbst bin Sozialarbeiter und haben auch schon in Berlin als Streetworker gearbeitet. Ich kenne den Alltag des durchschnittlichen deutschen Drogenabhängigen. Das Pradatäschchen gehört normalerweise nicht dazu. Außer es ist geklaut.
Yvonne, unsere älteste Pflegetochter, war selbst fast 2 Jahre obdachlos und drogenabhängig. Rauchen, Saufen, Kiffen, Spritzen. Das volle Programm. Das ist eine ganz andere welt gewesen.
Vielleicht werde ich mir den Roman mal besorgen(im Augenblick habe ich noch ganz viel anders zum Lesen hier) und dann kann ich mehr dazu sagen, aber ich finde einfach, dass dieser Roman nicht umbedingt die Realität wiederspiegelt. Erinnert mich auf den ersten Blick an eine etwas härtere Version von Gossip Girl.
Ein realitäsfernes Phänomen, dass unsere Kinder weder berührt noch jemals berühren wird. Zumindest nicht in dieser Form.
Vielleicht wird mich die Lektüre des Romans ja noch vom Gegenteil überzeugen, aber daran glaube ich bisher noch nicht.
Eingetragen von Mikael am 18.11.2011 um 14:17 Uhr
In Alex Klasse(9. Klasse Realschule) werden sie jetzt im Englischunterricht dieses Buch lesen:
Ich kenne es bereits durch Yvonne und das ist für mich ein Buch, dass einen sicher auch manchmal harten Realitätsbezug hat.
Das buch handelt von Rassismus bzw. Ausgrenzung von sozialen Grupen, Nationalitäten oder Religionen im Allgemeinen. Außerdem wird man im Verlauf des Buches mit der Frage konfrontiert ob Gewalt Gegengewalt rechtfertigt.(und die Antwort ist gar nicht so einfach) Daneben ist es eine spannende (Liebes)geschichte und das Englisch ist wirklich einfach. Meins ist nicht wirklich gut und ich habe mich super schnell eingelesen.
Eingetragen von Mikael am 19.11.2011 um 16:35 Uhr